Der Stephanstag an Weihnachten

 

Zum Patrozinium des Märtyrers

 

Schongau/Schwabsoien - "Und noch heute ist es so: Wenn die Argumente fehlen, dann fliegen die Fäuste und Steine, die Molotow-Cocktails und die Bomben". Das Beispiel des heiligen Stephanus und seines Märtyrertods hat durchaus aktuellen Bezug zur heutigen Zeit. So stellt es Hermann Ritter dar, der in Schwabsoien eine Pfarrgemeinde betreut, deren Gotteshaus dem heiligen Stephan geweiht ist.

 

Die SN-Redaktion sprach mit Pfarrer Ritter, der auch stellvertretender Dekan im Kapitel Schongau ist, über den Zusammenhang zwischen Weihnachten und dem Stephanstag, der am 26. Dezember begangen wird.

 

Was werden Sie über den heiligen Stephanus predigen?

 

Hermann Ritter: Man sieht vielerlei Figuren in einer Weihnachtskrippe. Den heiligen Stephanus wird man darin eher selten antreffen, obwohl sein Fest unmittelbar nach Weihnachten begangen wird. In die Idylle einer Krippe, in die wohlige Behaglichkeit unserer Festtage scheint er nicht so recht zu passen. Und dennoch passt er gerade zu dem, der in Bethlehem geboren wurde und der später aufgetreten ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. An Stephanus wird wahr, was Jesus gesagt hat: Wenn sie mich verfolgt haben, dann werden sie auch euch verfolgen.

 

Was hat Stephanus geprägt?

 

Hermann Ritter: : Stephanus ist ein ganz von Christus geprägter Mensch. Er dient den Armen und Witwen als Diakon der frühesten Kirche. Er verkündet die frohe Botschaft von der Erlösung durch Christus. Selbst in seinem Sterben bleibt er Jesus ähnlich, weil auch er für seine Widersacher betet, die ihn steinigen: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an. Und Stephanus weiß sich schon mit Gott und Christus vereint, wenn er sagt: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Das Bild vom geöffneten Himmel ist es wohl auch, was Weihnachten und den Stephanstag miteinander verbindet. An Weihnachten öffnet sich der Himmel und der Gottessohn kommt in unsere Welt; am Stephanstag öffnet sich wiederum der Himmel, damit der erste Zeuge Christi Zutritt erlangen kann in die Vollendung bei Gott.

 

Für welche Länder und Orte bzw. für welches Handwerk ist Stephanus der Patron?

 

Hermann Ritter: Seine Reliquien wurden von Jerusalem nach Italien gebracht und in Rom (S. Lorenzo fuori le mura) beigesetzt. Seine Verehrung breitete sich in vielen Ländern aus, z. B. in Italien, Frankreich und Deutschland. Der Dom von Passau ist dem hl. Stephanus geweiht, genauso der Wiener Stephansdom, die Kathedrale von Bourges und viele andere Kirchen, wie bei uns in Schwabsoien und Burggen. Die Böttcher, Kutscher, Maurer, Steinhauer, Pferdeknechte, Weber, Schneider und Zimmerleute verehren ihn als ihren Schutzpatron. Er gilt als Helfer bei Besessenheit, Kopfweh, Seitenstechen, Steinleiden. Ihn rufen die Menschen auch an um einen guten Tod.

 

Der heilige Stephanus war der erste Zeuge, der für Christus den Martertod auf sich nahm. Ist sein Vorbild mit Beispielen aus der heutigen Zeit vergleichbar?

 

Hermann Ritter: Es gab und gibt immer wieder den politischen oder den religiösen Fanatismus in der Welt, und der ist gefährlich, weil dabei jegliche Vernunft und alle Regeln und Gesetze außer Kraft gesetzt werden. Ohne Zweifel gab es Beispiele dafür in der Nazizeit bei uns, aber auch bis heute in verschiedenen Ländern zwischen Guantanamo und Bagdad, im Kongo und in Indien, überall, wo Menschen aus religiösen oder politischen Gründen diskriminiert und verfolgt werden. Und noch heute ist es so: Wenn die Argumente fehlen, dann fliegen die Fäuste und Steine, die Molotow-Cocktails und die Bomben.

 

Ein Anhängsel an Weihnachten oder ein Feiertag mit eigener Bedeutung: Wie ist der Stellenwert des Stephanstages am 26. Dezember zu bewerten?

 

Hermann Ritter: Der Feiertag des heiligen Stephanus ist nicht nur eine angenehme Verlängerung des Weihnachtsurlaubs. Sein Leben und Sterben macht allen Christen deutlich, was es wirklich bedeutet, wenn man sich auf das Kind in der Krippe einlässt. Das Schicksal dieses Kindes wird hart sein, vom Stall bis zum Kreuz, doch weiter bis zur Auferstehung. Wer als Jünger Jesu mit ihm geht, muss selbst das Leiden in Kauf nehmen, doch darf er auch mit der ewigen Vollendung rechnen.

 

jj  Schongauer Nachrichten vom 24. Dezember 2005