Zeitzeuge Stauffenberg: Bericht eines Betroffenen

 

60 Jahre nach dem Attentat auf Hitler

 

Schongau/Altenstadt/Sachsenried –„Es wird sich immer mehr zu einer Pflichtübung entwickeln, was natürlich schade ist“. So bewertet Otto Philipp Schenk Graf von Stauffenberg 60 Jahre nach dem missglückten Attentat auf NS-Diktator Adolf Hitler das Gedenken an den 20. Juli 1944. Der 77-jährige ist ein Großneffe des Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der die Bombe im Führerhauptquartier in Ostpreußen legte, und wird zum Jahrestag in Schongau und Altenstadt als Zeitzeuge berichten.

 

Zum Zustandekommen der Vortragstermine hat Alexander Graf von Stauffenberg beigetragen; er ist einer der beiden Söhne des Zeitzeugen, wohnt mit der Familie in Sachsenried und ist Facharzt für Urologie in Schongau.

 

Otto Philipp Schenk Graf von Stauffenberg ist zusammen mit seiner Frau Oculi seit 1949 in Oberfranken zu Hause. Er weilt aber mehrmals im Jahr für einige Tage bei der Familie seines Sohnes in Sachsenried; ein Ort, wo sich der ehemalige Forstmeister und Ökonom so richtig wohl fühlt.

 

Der Vater des Hitler-Attentäters und der Großvater des 77-jährigen waren Brüder. Die Witwe des Oberst Graf von Stauffenberg wohnt ebenfalls in Oberfranken. Sie ist über 90 Jahre, sei zwar querschnittsgelähmt, aber „geistig voll fit“, berichtet Otto-Philipp Schenk Graf von Stauffenberg. „Sie hat das Schicksal großartig getragen“, spricht er Worte der Anerkennung für die fünffache Mutter aus, deren Ehemann im Kugelhagel der Nazi-Schergen starb.

 

Auf Gutshof der Eltern

 

Otto Philipp Schenk Graf von Stauffenberg kam einen Tag vor dem Attentat im Führerhauptquartier vom Internat am Bodensee auf den Gutshof der Eltern bei Jettingen nahe Günzburg nach Hause. Sein Großvater wurde zwei Tage nach dem missglückten Attentat verhaftet, seine Eltern am 11. August.

 

Der damals 17-jährige Otto Philipp, der vom Attentat nichts wusste, wurde am 22. Juli verhört; er durfte sich im Ort frei bewegen, das Dorf aber nicht verlassen. Ein SS-Mann sei drei Wochen lang immer am Esstisch gesessen, „was den Appetit nicht gerade erhöht hat“.

 

Als „Gnade Gottes“ sieht es Otto-Philipp Graf von Stauffenberg, dass seine Familie und er nach neuen Monaten Haft in mehreren Gefängnissen und Konzentrationslagern am 30. April 1945 in Freiheit kamen. Er erinnert an die Worte des SS-Führers Heinrich Himmler, der ankündigte, dass die Sippe Stauffenberg „bis ins letzte Glied“ ausgelöscht wird.

 

Als Referent ist Otto Philipp Graf von Stauffenberg ein viel gefragter Mann. 25 Vorträge hält er heuer. Am 20. Juli 2004, dem Jahrestag, berichtet er in Iserlohn. Einen Tag später, am Mittwoch, 21. Juli, steht er abends im Schongauer Ballenhaus am Mikrofon. Am Donnerstag Vormittag, 22. Juli, hält er am Welfen-Gymnasium in Schongau eine Vortrag, und abends ist er Redner beim Altenstadter Forum in der Strauß-Kaserne. Die Berichte will er in zwei Teile gliedern. Zum einen geht es um den 20. Juli 1944, aber auch um die früheren Versuche, Hitler zu beseitigen. Zum anderen wird er auf das persönliche Erleben in dieser Zeit reflektieren. Und so einen Beitrag leisten, damit das Gedenken nicht zur Pflichtübung verkommt.

 

Johannes Jais   Schongauer Nachrichten vom 19. Juli 2004